Zu Ende

August 19, 2011

Lange Zeit hatte ich vor auf diesem Blog nachträglich noch von den letzten Etappen meiner Indienreise zu berichten. Jetzt ist es definitiv zu spät. Vielleicht fange ich ja irgendwann aus einem neuen Anlass wieder an zu schreiben. Aber vorerst sind meine Einträge auf diesem Weblog zu Ende.

EmergentCamp

Juli 1, 2008

Das EmergentNord-Treffen ist eine Gruppe von Leuten, die die Frage beschäftigt, was Evangelium in ihrer Zeit und in ihrem Umfeld heißt. Nachdem wir uns nun ein paar mal zu verschiedenen Themen im kleinen Kreis getroffen haben, wollen wir jetzt gerne weitere Leute einladen, die ebenso an diesen Themen dran sind und zusammmentragen, was wir dabei so finden. Darum veröffentliche ich auch hier unsere Einladung:

EmergentCamp

Evangelium und Gemeinschaft im Kontext der Postmoderne

Am 06. September 08 von 1000 bis 1800 in den Räumen der Christusgemeinde Bremen-Blumenthal.

EmergentNord lädt ein zu einem ersten EmergentCamp. Im Barcamp-Stil wollen wir miteinander über folgende Themen sprechen:

I. Wer sind wir heute?
Nach fast zwei Jahrtausenden Christentum befindet sich Europa in einem
Zeitenbruch. Die Moderne geht ihrem Ende entgegen. Die Bedingungen, in denen
das Evangelium kommuniziert wird, ändern sich. In einer unübersichtlichen
Gemengelage mischen sich vormodernes, modernes und postmodernes Denken. Wer also sind wir heute? Ein Versuch Spuren zu erkennen.

II Was ist das Evangelium?
Ein erster Versuch einer Rekonstruktion: welches Evangelium verkünden wir
eigentlich in der unübersichtlichen Situation zwischen Moderne und
Postmoderne?

III Was ist christliche Gemeinschaft?
Die neuen Bedingungen sind auch Resonanzboden für Klänge des Evangeliums, die
lange überhört worden sind. Wie können sie in Gemeinschaften Gestalt gewinnen?
Wir wollen viele Impulse und Fragmente sammeln, die zu einer neuen Praxis
christlicher Gemeinschaft anstiften.

Call-for-papers
Jeder, der auch an diesen Fragestellungen arbeitet, ist eingeladen Beiträge zu diesen Themen mitzubringen. Das dürfen auch Praxisberichte, Fragmente, Literaturberichte oder Diskussionsanstöße sein. Beiträge sollten 10 min Länge nicht überschreiten.

Anmeldung
Wir bitten um eine Anmeldung bis zum 15. August 08 an
info@zellgemeinde-bremen.de

Adresse des Veranstaltungsorts

Christusgemeinde Bremen Blumenthal (ev.-freikl./baptisten)
Cranzer Straße 22
28777 Bremen

Eine Wegbeschreibung gibt es auf der Webseite der Christusgemeinde unter

Kontakt

Aus Deutschland bloggt sich’s schwerer

Juli 1, 2008

Geplant war irgendwann einmal den Indienbericht fertig zu schreiben – zumindest aus der Erinnerung. Aber in Deutschland ist es einfach nicht so dringlich davon zu erzählen, wie wenn man noch in Indien ist. Also mache ich wieder mit ganz Alltäglichem weiter und wahrscheinlich so unregelmäßig wie eh und je. Vielleicht kann ich ja auch noch irgendwann ein paar Berichte einstreuen.

Zwischenstop in Ahmedabad

März 1, 2008

Zwischen zwei Zuegen in Ahmedabad habe ich ein paar Stunden Zeit. Ich wimmle in der Bahnhofshalle alle Rickshawfahrer ab, die mich zu einem Hotel bringen wollen. Waehrend ich auf der Anzeigetafel nach dem Gleis meines Zuges schaue, fragt mich ein aelterer Mann: „What are you doing?“ Ich antworte ihm, dass ich auf meinen naechsten Zug warte. Obwohl ich mir fast sicher bin einen Rickshawfahrer vor mir zu haben, frage ich vorgeblich  unvoreingenommen: „What are you doing?“ Lachend erwidert der Mann: „I am a Rickshawdriver.“ Im Moment bin ich also gerade kein Kunde. Nachdem der Mann im Getuemmel verschwunden ist, kommt mir die Idee ihn nach einem nahegelegenen Gujarati-Style Restaurant zu fragen, durchaus im Bewusstsein, dass er mich dann wahrscheinlich auch dort hin fahren will. Tatsaechlich empfiehlt er ein Restaurant namens „Azed“ oder so aehnlich, aber statt mich zu seiner Rickshaw zu geleiten, beschreibt mir den Weg. Dann sagt er: „I could also have taken 20 Rupees from you and brought you there, but it is a walking distance.“ Ich mache mich also auf den Weg. Tatsaechlich ist aufgrund des Verkehrsgewuehls wahrscheinlich der Fussweg schneller als zu fahren. Ahmedabad hat wirklich einen extremen Strassenverkehr und ist laut Reisefuehrer in den Top Ten der luftverseuchten Staedte. Nach einigem Fragen, falschen Wegbeschreibungen und herumirren stehe ich in einer Seitenstrasse ploetzlich vor dem gesuchten Restaurant und habe eine entspannende Mahlzeit bevor es weitergeht. Der Lassi ist mit Rosinen und Nuessen verfeinert und einer der besten, die ich je getrunken habe. Da hat ein Rickshawdriver es wirklich gut mit mir gemeint…

Bei der Weiterfahrt bin ich ausnahmsweise in der zweiten akklimatisierten Klasse, wie in der Sleeperclass lassen sich auch hier Sitze in Liegen fuer die Nacht umklappen. Allerdings sind nur zwei Liegen uebereinander untergebracht und sogar die Liegen parallel zum Gang sind lang genug fuer meine Beine. Ausserdem werden Kissen bereitgestellt und man kann die Abteile mit Vorhaengen abgrenzen. Haendler und Bettler muessen draussen bleiben. Nur wohlhabende Inder leisten sich diesen Luxus. Die meisten Fahrgaeste hier sind etwas reservierter als in der Sleeperclass, wo immer schnell Gespraeche entstehen. Eigentlich schade, aber diese Nacht ist es fuer mich angenehm, um ordentlich zu schlafen.

Aurangabad, Ellora, Jalgaon

Februar 27, 2008

In Aurangabad steige ich in einem zwielichtigen Hotel ab, mit Bar im Erdgeschoss – indische Bars und „Permit Rooms“ (weil man eine Permit fuer den Alkoholausschank braucht) sind meistens recht duester, irgendwie scheinen die Leute zu denken, dass das so sein muss. Im Laufe des Abends setzte ich in meinem Zimmer auch noch eine grosse Kakerlake unter einem Eimer gefangen. Dennoch bin ich an diesem Abend einfach nur froh noch einen Raum gefunden zu haben. Ich gehe in einem kleinen Punjabi-style Restaurant nahe des Bahnhofes essen, erst nach einiger Zeit bemerke ich das elektronische Mantra („Ooommm“ und noch etwas mehr Text) das aus der Ecke des Restaurants von einem Bild einer indischen Gottheit toent – solche Bilder und Statuen gibt es in Indien ueberall, in Bussen, Rickshaws, Einkaufslaeden, Marktstaenden – meist in Verbindung mit einem kleinen Altar, wo morgends Weihrauch und aehnliches als „Pooja“ (Opfer) fuer die jeweilige Gottheit dargebracht wird. Das elektronische Mantra lenkt mich wegen meines grossen Hungers nur geringfuegig von dem extrem fettigen Essen ab und erinnert mich irgendwie an den elektronischen Moench eine Idee, die Pickaboo mal geaeussert hatte.

Am naechsten Tag geht es mit dem Bus direkt nach Ellora. Dort sind in massive Felsen an einem Hang tiefe Hoehlen geschlagen. Begonnen wurde dieses Projekt von buddhistischen Moenchen und jeder Menge Handwerker, sie haben hier ungefaehr 10 Hoehlen hinterlassen, manche mehrstoeckig mit einem Vorhof. Eine Hoehle erinnert an eine Kathedrale, das wenige Licht das hineinfaellt verteilt sich geheimnisvoll schoen auf den Felsen, im Gewoelbe und an den Saeulen, im hinteren Zentrum der laenglichen Halle sitzt eine grosse Buddhastatue. Spannend sich das Leben in den Hoehlen vorzustellen, da sind Moenchszellen und Schulhallen und bestimmt gingen Handwerker und Haendler ein und aus. Weitere Hoehlen wurden spaeter im Auftrag hinduistischer Herrscher umfunktioniert oder hinzugefuegt – hier sind Buddhastatuen durch Bilder der hinduistischen Gottheiten ersetzt, wieder teils mehrstoeckige Kloster. Am beeindruckendsten ist aber ein Tempel. Eigentlichist er keine Hoehle, da er von oben nach unten aus dem Felsen herausgearbeitet wurde – mit Innenraeumen und Statuen. Wenn man in der hinteren Ecke des Hofes steht und nach oben sieht, kann man bestimmt 30m Felswand sehen – so tief haben sich die Steinmetze nach unten in den Felsen gearbeitet. Schon eine krasse Vorstellung, dass da ein paar Bauarbeiter, Handwerker und Baumeister auf einem Felsen stehen und dann sagen sie: „Okay, fangen wir es an.“ Und nach vier Generationen ist das Meisterwerk fertig. Die Hoehlen sind anscheinend auch ein Ausdruck dessen, welche Kultur vorherrschend war: Nach einigen Jahrhunderten in denen sich der Buddhismus weit in Indien verbreitet hatte, gewann der Hinduismus mit seinem Kastensystem wahrscheinlich getragen durch die hoeheren Schichten wieder groessere Bedeutung.

 Am Abend fahre ich mit Bussen nach Jalgaon, dort bin ich im Elternhaus eines Mitstudenten aus Bangalore zu Gast. Seine Mutter tischt ein ganzes Menue als Dinner auf. Der Vater arbeitet als Medizinzusteller fuer Notfaelle, ist gerade auf Reise und kommt nach Nachtfahrt erst am Morgen zum Fruehstueck an, die Mutter ist Haushaltslehrerin. Der Familie scheint es gut zu gehen, sie beschaeftigen noch eine Haushaltshilfe. Das scheint auch fuer die Haushaltshilfe ein Gluecksfall zu sein – sie kommt aus armen Verhaeltnissen und hat keine Schule besucht. Obwohl es schwer zu ertragen ist, muss ich letztlich akzeptieren im Bett zu schlafen, die Mutter und die Haushaltshilfe uebernachten auf Matten in einem Vorraum – indische Gastfreundschaft. Als ich morgends aufbreche, bringen mich der Vater und ein Freund meines Studienkollegen mit Auto und Motorradeskorte (allerdings nur weil sie sich danach getrennt zu ihren Arbeitsplaetzen aufmachen) zum Bahnhof. Derweil macht sich die Stadt gerade bereit fuer den Besuch von…

… Ms President Pratibha Patil. Jalgaon ist ihre Heimatstadt, sie geniesst hier breite Zustimmung. Doch diesmal komme ich ungeschoren davon und kann ganz ungestoert meines Weges ziehen. Ueber Ahmedabad geht es mit dem Zug in Richtung Jodhpur im Wuestenstaat Rajasthan.

Ratnagiri-Aurangabad

Februar 24, 2008

Am morgen in Ratnagiri am Bahnhof ist es noch ruhig, ein paar Reisende sind schon angekommen. Die Haendler am Bahnsteig kochen Kaffee und Tee und bereiten Broetchen zum Verkaufen vor. Streunehunde balgen auf dem Bahnsteig und zwischen den Gleisen und tragen ihre Rangkaempfe aus. Ein paar Leute kehren den Bahnsteig und verbrennen den Muell in Feuern neben den Gleisen. Der Rauchgeruch ist beissend, er begegnet einem ueberall in Indien. Nach und nach treffen mehr Passagiere ein, mit ca. einer halben Stunde Verspaetung kommt mein Zug. Ich teile mein Kompartment mit einer Gruppe junger und aelterer muslimischer Maenner – ich vermute, dass sie zu einer Grossfamilie gehoeren oder gemeinsam auf einer Pilgerreise sind. Sie sind schon am Vortag mit diesem Zug von Kerala aufgebrochen. Alle tragen vorwiegend weisse Kleidung und ein weisses Kaeppchen, die aelteren haben Vollbaerte. Das Dampfsignal es Zuges toent laut, dann geht es los. Waehrend der Fahrt liest ein Mann laut aus dem Koran, ein Junge rezitiert dann. Spaeter werden auch auswendig ein paar Kapitel aufgesagt. Zu den Gebetszeiten breiten die Maenner im Raum am Ende des Wagens Planen aus und verrichten ihre rituellen Gebete. Wer dann durch den Zug gehen will, muss warten, aber alle sind sehr geduldig.

Ratnagiri

Februar 23, 2008

Ratnagiri ist eine Kleinstadt an der Kueste Maharashtras, der Konkancoast. Wenn man mit dem Zug ankommt sieht man zuerst einige Industriegebaeude, die ueber mehrere Huegel verteilt sind. Vom Bahnhof zur eigentlichen Stadt sind es dann nochmal einige Kilometer. Im Stadtzentrum ist ein lebendiger Markt, verteilt ueber mehrere Strassen und Gassen durch die sich neben den werten Konsumenten auch Lieferwagen, Motorrikschaws , Autos und Motorraeder draengeln. Dort gibt es ziemlich viele Textilhaendler, um die Moscheen herum einige Metzger, ausserdem Gemuese und Obsthaendler und einige mehr. In der Mangozeit muss es hier wohl zu Hauf Mangos der Sorte „Alphonso“ geben – die kommen naemlich aus Ratnagiri. Darueber hinaus wird viel Fisch verkauft, denn eigentlich ist Ratnagiri ein grosses Fischerdorf. Touristisch gesehen ist es auch noch dafuer beruehmt, dass es hier getrennt durch eine felsige Landspitze einen dunklen und einen hellen Sandstrand gibt.

Ein paar Studenten, die hier von Mumbai aus ein Wochenende lang Urlaub machen, zeigen mir ein nettes Hotel. Nachdem ich mein Quartier bezogen habe, esse ich in einem Restaurant an der kurzen Promenade des naheliegenden Dunkelsandstrandes zu abend. Und lausche den im Dunklen liegenden Wellen. Ein Steg fuehrt vielleicht zweihundert Meter aufs Wasser hinaus. Felsen ragen seitlich aus dem Wasser hervor. Ausser dem kreisenden Lichtstrahl des Leuchtturms, ein paar Lichtern an der Kueste und wenigen draussen, liegt das Wasser im Dunklen.

Am naechsten Tag gehe ich den Dunkelsandstrand entlang. Ein paar Jugendliche laden mich ein bei ihrem Cricketspiel dabeizusein, inzwischen habe ich auch ein paar Hindibrocken um grob zu erklaeren, wie ich heisse, was ich mache, woher ich komme und dass ich nur „thora-thora“ Hindi spreche. Ich schaue ein paar Minuten zu, dann gehe ich weiter. Ein paar Kuehe und Hunde sind am Strand und auch ein Muellabladeplatz – etwas stinkig. Auch ein paar Fischer fragen mich. Das werde ich in Deutschland vermissen dieses einfach mal kurz fragen und sich dann auch noch freuen, wenn der andere einfach nur erklaeren kann, woher er kommt.

Dann wird die Kueste felsig. In Loechern im Basalt sitzen kleine Krabben im restlichen Salzwasser, oben ist ein Steilhang mit Wald. Eigentlich will ich um die Landspitze herumlaufen. Aber die Kueste wird immer krasser und ziemlich grosse Wellen werfen Gischt auf die Felsebene, auf der ich laufe, das Wasser kommt und ich stelle mir vor, wie diese Felsebene wohl aussieht, wenn die Wellen hier hinaufkommen, ausserdem rennt vor mir ein ganzer Schwarm schwarzer Strandkrabben ins Wasser, die mich irgendwie an die Szene in „Die Nomaden der Luefte“ erinnern, wo die Seeschwalbe mit dem verletzten Fluegel den Krabben zum Opfer faellt. Ich gehe noch weiter bis mir eine Spalte in „meinem“ Felsplateau den Weg versperrt, in der die Gischt malmt und spritzt und laufe dann zurueck. Schon irgendwie eine abenteuerliche Kueste – und vorher hatte ich nie verstanden, welche Probleme Seefahrer mit der Brandung hatten…

Den anderen Strand Ratnagiris suche ich also auf dem Landweg auf, hier ist eine Art Fischerslum, auf dieser Seite der Landspitze ist ausserdem ein Anleger fuer ein paar groessere Schiffe, ein Hindutempel auf einem Berg und an der Kueste auch eine Moschee. Als ich gerade dort ankomme, ist die Sonne untergegangen und der Muezzin ruft die muslimischen Fischer zum Gebet.

Am naechsten Tag breche ich schon morgends auf um an dem hellen Strand zu baden. Die Stadt hoert dort schon fast auf. Zwei Jungs fragen mich nach meiner Herkunft, wir unterhalten uns ein wenig. Sie studieren Hotelmanagement und empfehlen mir ein paar Plartze in der Naehe und bejahen, dass man am weissen Strand schwimmen gehen koenne. Unter den Kokospalmen am Strand sind bewohnte Huetten. Als ich dort ankomme scheint gerade Toilettenzeit der Fischer zu sein. Einige hocken am Strand und und nach erledigtem Geschaeft dient die auslaufende Brandung als Klopapier – die meisten Inder finden die Vorstellung sowieso ziemlich eklig dafuer Papier statt Wasser zu verwenden. Neben einer Sandduene liegt eine tote Katze. Sie ist in Kampfeshaltung erstarrt, mit aufgerissenen Augen und Mund, die Zaehne gut sichtbar, die Tatzen ausgestreckt, wahrscheinlich haben Hunde sie totgebissen. Trotz eines boese bellenden Hunderudels und der Toilettenfunktion des Strandes finde ich eine saubere Stelle zum Baden, ich bin scheinbar weit und breit der einzige mit dieser Idee. Nach einiger Zeit setzen sich zwei Inder in Respektabstand neben meinen Krempel am Strand, winken mich nach einiger Zeit herbei und warnen mich, ich solle nicht zu weit nach links schwimmen, da dort eine Stroemung aus der Bucht ins Meer hinausfuehre. Nach dem Baden laufe ich zurueck.

Mein Weg fuehrt an ein paar Haeusern vorbei, ansonsten durch Brachen, die voller Gebuesch sind, vor einem Haus vertreiben ein Kind einen Streunehund mit Steinwuerfen, er rennt jaulend davon. Neben der Strasse liegt ein kleiner weisser Hund – tot, ein noch kleinerer Hund schnueffelt an ihm. Eine Rickshaw, in der schon jemand sitzt, haelt neben mir, der Fahrer bietet an mich mitzunehmen. Es kann nicht mehr weit sein, aber warum nicht. Tatsaechlich ist mein Hotel schon um die naechste Ecke. Ich frage den Rickshawfahrer, ob ich ihm fuenf Rupees geben soll. Er moechte zehn, dabei klang es am Anfang nach einer Einladung…

In einem Internetcafe checke ich die Tourismusseite der Kueste, der Strand in Ganpatipule soll sehr schoen sein. In dem Internetcafe sitzen ansonsten noch ein paar Jugendliche und zocken Warcraft und Egoshooter.

Am naechsten Tag also nach Ganpatipule. Nach ca. 1 Stunde Busfahrt, Ankunft am Strand, dort tummeln sich hauptsaechlich indische Touristen. Manche sind vermutlich wegen des Tempels, der hier direkt am Strand steht, hergekommen. Ganze Schulklassen und Familienverbaende planschen in den auslaufenden Wellen, Kinder bauen Sandburgen, Jugendliche posieren fuer Fotos – am besten ist es natuerlich, wenn noch ein westlich aussehender Tourist mit dabeisteht und ein Kamelbesitzer bietet Kamelritte an. Zum richtigen Baden ist der Strand zu gefaehrlich – wegen der Brandung und gefaehrlichen Stroemungen und in einer Richtung soll auch die Gefahr bestehen am Strand in Treibsanden zu versinken. Ich wandere am Wassersaum entlang, linkerhand steigt die Kueste mit verschlungenen Pflanzen bewachsen an, rechterhand die Wellen, nach einiger Zeit wird der Strand zunehmend einsam und geht schliesslich in eine Steilkueste ueber, in der Ferne kann man sehen, wie grosse Wellen an den Felsen in Gischt zerstaeuben. Als ich zuruecklaufe, ist die Sonne schon untergegangen. An der Bushaltestelle erfahre ich, dass um diese Zeit kein Bus mehr zurueckfaehrt. Ich muss also die Rickshaw nehmen.

Hospet-Ratnagiri

Februar 19, 2008

In Hospet, der von Hampi aus naechsten Stadt, bekomme ich einen Nachtbus nach Madgaon in Goa. Von dort will ich nach Ratnagiri weiterreisen. Der Bus ist schrecklich schlecht gefedert und die Sitze sind hart, so verbringe ich die Nacht durchgeschuettelt in einem Halbdaemmerzustand. Mit an Bord sind auch zwei ziemlich bekiffte oder sonstwie zugedroehnte Goatouristen aus Europa, die die Passagiere ohnehin die halbe Nacht mit ihrem dumpfen Gerede wachhalten. Als wir um fuenf Uhr morgens in Madgaon ankommen, bin ich ziemlich fertig. Ich traue den Rickshawfahrern nicht, die mich zum Bahnhof bringen wollen und fahre nach eineinhalb Stunden Wartezeit mit einem Kleinbus weiter nach Panjim. Dort habe ich ein indisches Fruehstueck mit Tee und einigen herzhaften Backwaren. Dann stellt sich heraus, dass ich fuer die Weiterreise doch zum Bahnhof in Madgaon muss. Wieder Kleinbus, diesmal fahren wir unter anderem auch an den bereitgestellten bunten Wagen eines Karnevalsumzuges vorbei – Karneval in Goa soll ziemlich abgehen, Goa ist wie Brasilien eine ehemalige portugiesische Kolonie. Trotzdem beschliesse ich weiterzureisen – nach der durchwachten Nacht ist das Ruhebeduerfnis doch ziemlich gross.

Ich bekomme noch Tickets in der General Class, der oft ueberfuellten Holzklasse der indischen Eisenbahn. Ich habe Glueck, nur die Haelfte der Sitzplaetze ist besetzt. Ein paar Inder fragen mich, wo ich herkomme. Halb auf Englisch und unter Verwendung der paar Fetzen Hindi, die ich beherrsche, erfragen wir gegenseitig, was wir so tun. Zwei von ihnen arbeiten als Zimmerleute auf Baustellen an verschiedenen Orten in Indien, ein anderer, Dalaya kommt aus Kerala in Suedindien und arbeitet in Rajasthan als Textilhaendler. Er ist vielleicht 27, hat aber schon Familie und drei Kinder. Hin und wieder reist er von Rajasthan zu seinen Eltern nach Kerala und bringt ihnen Geld mit. Er sagt, dass er das dann unter seinen Schultern verstecke, weil, wenn man Inder sei, wuerden andere einem sonst das Geld wegnehmen und bei der Bank waeren die Steuern zu hoch.

Ein anderer, der fuer eine Bank arbeitet, fragt mich immer wieder nach den Preisen, z.B. fuer meine Flugtickets und einem der Gespraeche mit seinen Freunden entnehme ich das Wort „Creditcardnumber“. Ich habe den Eindruck, dass seine Gedanken irgendwie darum kreisen, dass ich wohl viel Geld haben muesse und meide daher den Kontakt.

Irgendwann kommen neben vielen anderen Zughaendlern auch zwei Frauen vorbei, sie klatschen rhythmisch in die Haend und wollen Geld. Ich verstehe nicht. Dalaya erklaert spaeter, dass diese Frauen „totally finished“ seien, sie haben den Halt ihrer Familie verloren und wuerden es daher auch fuer wenige Rupees tun.

Dalaya fragt mich nach deutschen Muenzen, ich gebe ihm ein Zehncentstueck. Weil ich den anderen auch etwas geben will, biete ich ihnen je einen Kugelschreiber an. Gleich nach „paisa“ – Geld, sind Kugelschreiber, Eurocoins und Schokolade die Sachen, nach denen man in Indien am haeufigsten gefragt wird – besonders oft von Kindern. Einer der Zimmerleute reagiert zurueckhaltend – er kann nicht schreiben.

Zugmarkt

Februar 15, 2008

Liste mit Waren und Dienstleistungen, die in indischen Zuegen angeboten werden:

  • Chaitee
  • Kaffee
  • Masalachaitee
  • Water and Cooldrinks
  • Schokolade und andere Suessigkeiten
  • Biryani (Reisgericht)
  • Samosa (Teigtaschen mit wuerziger Gemuesefuellung)
  • Ban (Broetchen)
  • Popkorn
  • Schluesselanhaenger
  • Indienlandkarten
  • Buecher
  • DVDs/CDs – Hindifilmmusik und mehr
  • Zeitung
  • Liebe
  • Tanz
  • Gesang
  • Abteilbodenreinigung
  • Taschenrechner
  • Videokameras
  • Photoapparate
  • Spielzeugautos und -flugzeuge
  • Uhren
  • Zigaretten
  • Erdnuesse
  • Sandwiches
  • Taschenlampen
  • Schreibtischlampen
  • kleines Keyboard (das Musikinstrument, nicht die Computernutzerschnittstelle)
  • Orangen
  • Rosinen
  • Weintrauben
  • Buttermilch
  • Speiseeis

…und bestimmt noch vieles mehr.

Erste Etappe: Bangalore-Hampi

Februar 15, 2008

Waehrend ich jetzt schon in der Mitte meiner Reisezeit angekommen bin, schreibe ich hier erstmal vom Beginn der Reise:

Noch reise ich nicht alleine, mit mir sind zwei andere „IISc Foreign Students“. Wir sind mit dem Sleeperclassnachtzug nach Hampi gefahren, unterwegs um drei Uhr nachts gab es in unserem Nachbarkompartment eine heftige Diskussion zwischen dem Schaffner und einem Fahrgast – mehr als 15 Minuten lang ging es hin und her. Ich habe den Eindruck, dass indische Streitigkeiten mit weniger Eskalation, aber mit viel langwierigeren Diskussionen geloest werden als bei uns.

In Hospet laufen wir der Sonne entgegen eine Hauptstrasse entlang, Schweine rennen umher und einer der Reisegefaehrten wird fast von einer Motorrickshaw angefahren. Schliesslich findet sich ein Restaurant fuer einen Kaffee und ein kurzes Fruehstueck. Noch sind wir frohen Mutes, obwohl wir gehoert haben, dass Indiens Praesidentin morgen Hampi besucht und die Rickshawfahrer behauptet haben, es gaebe in Hampi keine Uebernachtungsmoeglichkeiten und auch keine Busse von Hospet nach Hampi. Wir tun das als eine Geschaeftsmasche ab.

Am Busbahnhof finden wir einen Bus nach Hampi, nachdem uns nun auch Touristen erzaehlen, dass in Hampi alle Unterkuenfte geschlossen sind wegen des Besuchesvon Ms President sind wir nun schon etwas unsicher. Ankunft in Hampi, ein grosser Tempel ragt Hochhausgleich in die Hoehe, ansonsten nur kleine Shops, am anderen Ende der Hauptstrasse zeichnen sich einige Ruinen ab, von einem Polizisten erfahren wir, dass tatsaechlich Hampi schon an diesem Tag ab 5 Uhr nachmittags fuer Besucher geschlossen sein wird und auch uebernachten nicht moeglich ist. Als wir am Flussufer ankommen dann eine nette Ueberraschung: Was da im Wasser liegt und von weiter oben noch wie ein Fels aussah, ist ein Elefant, der hier gerade von seinem Elefantenfuehrer und einem Begleiter gewaschen wird. Direkt nebenan am Flussufer tun wir dem Elefanten gleich und chillen in der Sonne. Schliesslich machen wir uns auf und sehen uns wenigstens Teile der Ruinenstadt an. Die Landschaft ist uebersaeht mit rundem Geroell in allen Groessen dazwischen Spuren alter Stadtmauern, Tempel- und Palastbauten. Als meine Begleiter an einem Tempelchen das Innere ansehen wollen. Tritt eine Priesterin hinzu, erklaert, dass die Statue Hanuman, der Affengott, sei und malt ihnen einen dieser indischen Segenspunkte auf die Stirn. Als sie aber nicht ein paar Rupees bezahlen wollen, ruft sie ihnen ein Fluch nach. Meine Begleiter sehen das aber gelassen.

Als wir um fuenf schliesslich nach einem Bus fuer die Rueckfahrt nach Hospet suchen, behaupten die Rickshawfahrer, dass kein Bus fuehre. Wir handeln mit ihnen, sie wollen sich aber nicht auf hundert Rupees einlassen. Wir sagen, dass wir dann eben doch auf den Bus warten. Schliesslich kommen sie doch auf die hundert Rupees zurueck. Als wir gerade in der Rickshaw Platz genommen haben, kommt der Bus um die Ecke.

Wir lassen diesen durchwachsenen Reisetag bei einem Bierchen ausklingen und beschliessen die Hampierkundung abzubrechen. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass es nicht das einzige Mal bleiben sollte, dass Ms. President meine Reiseroute kreuzte.

Bionisches Design

Februar 4, 2008

Letzte Woche habe ich mein Projekt vorerst beendet – nur der Projektreport und einige auswertende Untersuchungen sind noch uebrig geblieben. Das Kernproblem an dem ich gearbeitet habe ist, wie der „bionische Transfer“ von einem biologischen Vorbild in einen technischen Gegenstand eigentlich funktioniert, was dabei uebertragen wird und wie man das am besten mit ein paar Richtlinien unterstuetzen kann. Zum Beginn meiner Zeit hier habe ich mich deshalb erstmal in das Hauptthema des IdeasLab eingearbeitet: Designforschung. Designforschung ist notwendig, damit Designer moeglichst effizient zu moeglichst guten Loesungen fuer alle moeglichen Probleme kommen. Also versucht man herauszubekommen, was Designer eigentlich erreichen wollen – meist wollen sie einen Gegenstand mit einer Funktion entwerfen oder einen Gegenstand mit einer Funktion verbessern. Damit sie dabei moeglichst erfolgreich und kreativ sind, entwickeln die Designforscher Designprozesse, Methoden und Hilfsmittel zur Loesungsfindung. Bionik ist aus dieser Perspektive auch ein solches Hilfsmittel, aber bis jetzt gibt es nur wenige Vorschlaege, wie man das systematisch macht. In die existierenden Bionikmethoden habe ich mich zu Beginn auch eingelesen. Und dann habe ich Beispiele fuer bionisches Design, biologische Vorbilder und entsprechende technische Produkte, wie zum Beispiel Haihaut und aerodynamisch guenstige Rillenfolie, Wasserlaeufer und Miniroboter und Lotusblatt und selbstreinigende Farbe, untersucht und versucht Muster zu entdecken. Auf dieser Grundlage habe ich dann ein paar Vorschlaege entwickelt, wie man bei einem Transfer von einem biologische Vorbild zu einem technischen Produkt vorgehen soll. Dabei ist vieles noch ziemlich unklar, einige Schritte konnte ich auch schon recht konkret beschreiben. Und zuletzt haben wir noch Untersuchungen gemacht, ob Designer mit diesen Richtlinien besser oder schneller vorankommen oder nicht. Die Untersuchungen sind nicht fertig geworden, deshalb gibt es da noch etwas zu tun. Ueber Bionik habe ich auf jeden Fall etwas gelernt.

Booming Bangalore?

Februar 4, 2008

Nachdem ich nach mehreren Innenstadtbesuchen das „Booming Bangalore“ nicht gefunden habe, bin ich neulich in den Outskirts von Bangalore vorbeigekommen. An beiden Seiten der „Outer ringroad“ reiht sich dort ueber mehrere Kilometer Wohnkomplexbaustelle an Businesshochhausrohbau. Nebenbei habe ich noch ein Hobby der in Bangalore taetigen Konzerne entdeckt: Fakeskyskrapering. Waehrend der in Bangalore-City entstehende Kingfisherkomplex das Empire State Building und ein paar andere Hochhaeuser der New Yorker Skyline nachahmt, kann man in den Outskirts eine Kopie der Petronastuerme bewundern. Der Standort Outskirts fuer das „Booming Bangalore“ hat natuerlich gegenueber der City den Vorteil, dass dort wenigstens die Infrastruktur halbwegs funktioniert. Dennoch ist die Vorstellung, dass sich die Mittelklasse in umzaeunte Wohnkomplexghettoes in den Outskirts von den Problemen der Stadt zurueckziehen koennte, auf lange Sicht ziemlich entmutigend.